Von der Hutter Höß aus gesehen, einem beliebten Schigebiet bietet sich eine großartige Aussicht über das Stodertal an. Was liegt näher, als es im Frühsommer, so empfiehlt es der Alpenvereinsführer, einmal zu Fuß zu umrunden. An Fronleichnam sind die Verhältnisse optimal, das Wetter verspricht stabil zu werden, Gewitter sind nicht zu befürchten und der „tragfähige Schnee“ (AV-Führer) lässt auf ein problemloses Vorwärtskommen hoffen.
So verlängere ich das lange Wochenende um einen Tag und fahre schon am Mittwoch noch bei Dunkelheit mit dem Auto los. Als ich es an der Zufahrt zur Polsterlucke abstelle graut der Morgen und am Beginn des Anstiegs zum Prielschutzhaus wird es Tag. Um diese Zeit scheint kaum jemand unterwegs zu sein. In den Wiesenflächen neben dem Hüttenanstieg stehen die Gämsen umher wie sonst nur die Kühe auf der Alm und äsen ohne sich stören zu lassen. An der Hütte ist noch alles ruhig und zügig laufe ich weiter durch die Klinserschlucht um die Spitzmauer herum. Endlich wird der Blick auf die Weitgrube frei: eine weit ausgedehnte Schneefläche bis zum Bösenbühlsattel. Leider ist die Oberfläche des Schnees nicht ganz so tragfähig wie ich gehofft hatte und ich bekomme ziemlich schnell nasse Füße. Trotzdem entschliesse ich mich für den Weiterweg über die vielen Gipfel zur Tauplitzalm.
Auf den Bergrücken ist der Schnee etwas tragfähiger, so dass ich nun zügiger voran komme. Schon vom Bösenbühel aus ist klar, dass es, wenn man alle Gipfel mitnimmt, ein ziemlich weiter Weg bis zur Tauplitzalm ist. Die Aussicht von den Gipfeln ist allerdings spektakulär, so dass ich keinen auslassen möchte. Beim Großen Hochkasten packe ich mein Jausenbrot aus. Es ist ganz schnell aufgegessen und die Einliter-Trinkflasche ist auch sofort leer. Von nun an gibt es nur noch Schmelzwasser. Ein jeder Gipfel bietet neue Aussichten und ich komme zügig vorwärts. Bergab geht es auf den glatten Schneeflächen ziemlich rasch voran, bergauf wird es jedoch mit jedem Gipfel zäher und zäher. Besonders in den Oberschenkeln spüre ich die Belastung deutlich und ich bin froh, als ich beim Kraxenberg einen krummen Holzstock finde, den jemand hier fortgeworfen hat. Mit Schmelzwasser sieht es nicht gut aus. Erst in der Gegend des Großen Brieglersberges kann ich meine Trinkflasche ganz langsam wieder auffüllen und austrinken.
Jetzt muß ich mir um den Weiterweg Gedanken machen. Kleinen Brieglersberg und Grubstein lasse ich links liegen und mache mich Richtung Großes Tragl auf. Unterhalb des Gipfels führt der Weg zum Steyrersee vorbei. Ab hier gibt es wieder Fußspuren im Schnee. Es ist noch Zeit für den Gipfel. Dort angekommen stelle ich fest, dass es mir ziemlich schwer fällt, mich in das Gipfelbuch einzutragen. Doch bis zur Tauplitzalm ist es nicht mehr allzu weit. Der Tag geht zur Neige, als ich beim Linzer Tauplitzhaus vorbeikomme. Die ganze Tauplitzalm liegt verlassen da und ich beschliesse abzusteigen (das Hollhaus wäre offen gewesen, erfahre ich im Tal).
Das Gelände kenne ich vom Schifahren im Winter einigermassen. Trotzdem schaffe ich es auf dem Weg ins Tal, die einzigen Schrofen weit und breit mitzunehmen. Als ich in Tauplitz ankomme ist es dunkel und ich kehre bei der ersten Möglichkeit ein. Das Essen schmeckt hervorragend, das Bier ebenso, doch ich bin ziemlich erschöpft. Der Wirt des Wellnesshotels bietet mir an, in einer preisgünstigeren Unterkunft zu nächtigen, ich lehne ab und falle ins Bett.
Als ich wieder aufwache ist es schon länger hell. Ich bin ziemlich gut erholt und plane den Rückweg durch das Tal des Grimmingbaches. Bei einer Abzweigung steige ich zum Langpoltner Klamml auf und kehre bei der Hochmölbinghütte ein. Der Weiterweg über Hochmölbing und Schrocken zurück nach Hinterstoder ist verglichen mit dem Stoderkamm ein Spaziergang.